Echt oder inszeniert? Warum Authentizität zur besten Strategie im Kommunalwahlkampf wird
Kommunalwahlkampf ist Persönlichkeitswahlkampf. Und genau deshalb ist Authentizität im Wahlkampf nicht nur ein nettes Extra, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor. Gerade im lokalen Kontext – wo Bürger:innen ihre Kandidierenden nicht selten persönlich kennen – entscheidet nicht die perfekte Inszenierung, sondern die Frage: Wirkt das ehrlich? Passt das wirklich zu der Person?
In Zeiten von Social Media, professionellen Wahlkampfteams und omnipräsenter Selbstdarstellung stellt sich die Frage, wie viel „Marketing“ eine Kandidatin oder ein Kandidat braucht – und wie viel davon vielleicht sogar schadet. Dieser Beitrag zeigt, warum Authentizität zur effektivsten Waffe im Kommunalwahlkampf wird – und wie sich Kandidierende zwischen Professionalität und Echtheit richtig positionieren können.
Was bedeutet Authentizität im politischen Marketing?
Im Marketing bezeichnet Authentizität die Fähigkeit einer Marke, als glaubwürdig, ehrlich und konsistent wahrgenommen zu werden. Im politischen Kontext überträgt sich das auf Personen: Wer authentisch ist, wirkt überzeugend – weil Haltung, Auftreten und Kommunikation miteinander im Einklang stehen.
Doch Authentizität ist mehr als ein Gefühl. Sie basiert auf drei Faktoren:
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Kongruenz: Das Auftreten entspricht der inneren Überzeugung.
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Konsistenz: Die Person handelt über verschiedene Situationen hinweg erkennbar nach denselben Prinzipien.
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Transparenz: Sie zeigt Haltung – auch wenn sie aneckt.
Politisches Marketing versucht oft, die Ecken und Kanten abzuschleifen – doch gerade diese machen Persönlichkeiten greifbar. Authentische Kandidierende stehen zu ihren Stärken, aber auch zu ihren Schwächen.
Warum Authentizität in der Kommunalwahl besonders zählt
Der Wahlkampf zur Kommunalwahl in NRW am 14. September 2025 unterscheidet sich grundlegend von Bundestags- oder Europawahlen. Hier geht es nicht um abstrakte Programme oder große Politik – es geht um Menschen, Stadtviertel, Vereine, Straßenbau und Schulwege.
Bürger:innen wählen oft die Person, nicht die Partei. Studien und Wahlergebnisse zeigen immer wieder: Persönliche Sympathie, lokale Bekanntheit und das Gefühl, jemand „gehört dazu“ sind entscheidend. Deshalb ist Wählervertrauen eine der wichtigsten Währungen – und genau das entsteht durch authentisches Auftreten.
Zwischen Glaubwürdigkeit und Hochglanz – der Grat ist schmal
Natürlich braucht auch ein authentischer Wahlkampf eine gute Kommunikationsstrategie. Plakate, Social Media, Pressearbeit – all das funktioniert nicht ohne ein Mindestmaß an Planung, Design und Messaging.
Doch genau hier entsteht die Herausforderung: Ab wann kippt ein professioneller Auftritt in Richtung künstlicher Inszenierung?
Beispiele aus der Praxis:
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📸 Ein Kandidat postet regelmäßig Selfies beim Haustürwahlkampf – super.
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🤳 Doch wenn jede Szene perfekt ausgeleuchtet und inszeniert wirkt, verliert der Content schnell an Glaubwürdigkeit.
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💬 Eine Kandidatin schreibt auf Social Media in klarer, direkter Sprache – authentisch.
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🧾 Sobald das Team aber nur noch Pressetexte postet, die voller Parteifloskeln sind, geht der persönliche Bezug verloren.
Das heißt: Professionelle Kommunikation ist wichtig – aber sie muss zur Persönlichkeit passen. Der Ton, die Bildsprache, das Verhalten – alles sollte echt wirken. Oder besser gesagt: echt sein.
Wähler:innen erkennen Unechtheit sofort
In der lokalen Politik gilt: Nähe ist Realität. Menschen begegnen Kandidierenden auf dem Wochenmarkt, im Verein, bei der Elternpflegschaft. Wenn zwischen dem Eindruck im Wahlkampf und dem realen Verhalten große Diskrepanzen bestehen, führt das zu Vertrauensverlust.
Besonders Social Media ist hier ein zweischneidiges Schwert: Es erlaubt zwar Nähe, erzeugt aber auch Erwartungen an Authentizität und Transparenz. Wer dort aufgesetzt wirkt, verliert schnell an Glaubwürdigkeit – insbesondere bei jüngeren Zielgruppen, die an digitalen Content hohe Ansprüche stellen.
Was heißt das konkret für die Wahlkampfstrategie?
„Wahlkampf ohne Strategie ist wie Segeln ohne Kompass – man ist ständig in Bewegung, kommt aber selten ans Ziel.“
1. Persönliche Haltung zeigen
Wähler:innen wollen wissen, wofür eine Person steht. Wer zu allem „ein bisschen was“ sagt, wirkt unentschlossen. Authentische Kandidierende bekennen klar Position – auch bei unbequemen Themen. Das bedeutet nicht, polarisieren zu müssen. Es bedeutet: Kante zeigen.
Tipp: Entwickle 3–5 persönliche „Leitsätze“, die in allen Botschaften durchscheinen – als Wertefundament der Kampagne.
2. Individuelle Sprache statt Polit-Jargon
Kommunalpolitik ist erklärungsbedürftig – aber bitte nicht in Amtsdeutsch. Wähler:innen möchten verstehen, worum es geht. Authentizität entsteht auch durch verständliche Sprache. Komplexe Prozesse müssen greifbar gemacht werden.
Beispiel:
Statt: „Wir fordern die Priorisierung der Umsetzungsplanung für die Maßnahmen im städtebaulichen Entwicklungskonzept.“
Besser: „Wir wollen, dass endlich Tempo gemacht wird beim Ausbau des Spielplatzes und der Radwege.“
3. Fehler eingestehen – ohne Schwäche zu zeigen
Niemand erwartet Perfektion. Gerade in Krisensituationen (z. B. falsche Zahlen, missverständliche Aussagen) zeigt sich: Wer ehrlich bleibt und Verantwortung übernimmt, wirkt souverän. Authentizität bedeutet auch: nicht ausweichen, sondern erklären.
Beispiel: „Ja, das war unglücklich formuliert – das war nicht meine Absicht. Ich habe daraus gelernt.“
4. Lokale Verwurzelung zeigen
Im Kommunalwahlkampf zählt, was vor Ort passiert. Die besten Argumente sind reale Beispiele aus dem eigenen Umfeld. Wer über Politik spricht, sollte über seine Stadt, seine Nachbarschaft und seine Erfahrungen sprechen. Das schafft Nähe – und beweist, dass man wirklich dazugehört.
Tipp: Erzähle persönliche Geschichten, statt nur Forderungen aufzulisten. Warum engagierst du dich für das Ehrenamt? Wie hast du selbst den Zustand der Schule erlebt? Was hat dich im Gespräch mit einer Rentnerin besonders bewegt?
5. Ehrliche Bildsprache statt gestellter Imagefotos
Bilder sagen mehr als tausend Worte – das gilt auch im politischen Marketing. Doch Wähler:innen erkennen, ob ein Foto inszeniert ist oder eine echte Situation zeigt.
Ideen für glaubwürdige Bilder:
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Beim Gespräch auf dem Spielplatz, nicht vor einer weißen Wand
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Beim Ehrenamt im Sportverein, statt allein am Schreibtisch
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Beim Spaziergang im Viertel mit Bürger:innen, statt mit verschränkten Armen vor der Kamera
Natürlich darf auch mal ein professionelles Porträtfoto dabei sein – aber im Mix mit echten Momentaufnahmen entsteht ein authentischer Eindruck.
Authentizität ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis guter Kommunikation
Ein häufiger Irrtum: Authentizität entsteht von allein. Doch in Wahrheit braucht sie Reflexion und klare Kommunikation. Die besten authentischen Kampagnen wirken spontan – sind aber strategisch geplant, um der echten Persönlichkeit Raum zu geben.
Checkliste: Authentizität im Wahlkampf
✅ Stimme ich den Aussagen meiner Kampagne voll zu?
✅ Passen Bildsprache und Tonalität zu mir?
✅ Bin ich auf Social Media so, wie ich im echten Leben bin?
✅ Kommuniziere ich verständlich und ehrlich?
✅ Kann ich Kritik aushalten – und daraus lernen?
Warum Authentizität auch für politische Markenbildung entscheidend ist
In Zeiten sinkender Parteibindung wächst die Bedeutung der persönlichen Marke Politik. Menschen wählen nicht nur Inhalte, sondern Menschen. Dabei geht es nicht um Selbstvermarktung im klassischen Sinne – sondern um:
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Vertrauensaufbau
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Wiedererkennbarkeit
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Relevanz für die Lebensrealität der Wähler:innen
Authentizität unterstützt all diese Faktoren. Sie hilft, langfristig ein belastbares Image aufzubauen – auch über den Wahltag hinaus. Wer ehrlich kommuniziert, schafft Anschlussfähigkeit: Bürger:innen bleiben im Gespräch, identifizieren sich mit den Anliegen – und fühlen sich repräsentiert.
Fazit: Authentizität ist der Schlüssel zu Vertrauen – und damit zum Wahlerfolg
In der Kommunalwahl 2025 in NRW wird gelten, was schon 2020 galt – und in Zukunft noch wichtiger wird: Wähler:innen suchen nicht das perfekte Produkt, sondern eine glaubwürdige Persönlichkeit.
Authentizität im Wahlkampf bedeutet nicht, auf professionelle Kommunikation zu verzichten – sondern sie so zu gestalten, dass sie zur eigenen Haltung passt. Wer authentisch auftritt, kann Nähe aufbauen, Vertrauen gewinnen und Themen transportieren, ohne sich zu verstellen.
Denn am Ende gilt: Wer sich selbst nicht zeigen kann, wird auch nicht überzeugen.